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Amtsblatt
der Europäischen Union

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Serie L


2024/736

5.3.2024

EMPFEHLUNG (EU) 2024/736 DER KOMMISSION

vom 1. März 2024

zu einem Verhaltenskodex für die Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Eine starke Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen ist von entscheidender Bedeutung, um die Verbreitung innovativer Lösungen zu beschleunigen und neue Technologien, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, damit die drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen angegangen werden können und gleichzeitig ein fairer, ökologischer und digitaler Wandel gewährleistet ist. (1)

(2)

Der Verhaltenskodex für die Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen spiegelt die vom Rat in seiner Empfehlung zu Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen formulierten neuen Vorgaben wider, da er die gemeinsame Gestaltung und Verbindungen zwischen allen FuI-Akteuren fördert und einen Schwerpunkt auf unternehmerische Kompetenzen und Vorgehensweisen setzt (2). Außerdem trägt er zu der Maßnahme „Aktualisierung der EU-Leitlinien für eine bessere Valorisierung von Wissen“ bei, die Teil der politischen EFR-Agenda für 2022-2024 ist (3).

(3)

In den Schlussfolgerungen des Rates zur neuen europäischen Innovationsagenda wird darauf hingewiesen, dass Gemeinden, Städte und Regionen beim Aufbau weltweit wettbewerbsfähiger Forschungs- und Innovationsökosysteme und Wachstumsstrategien eine wichtige Rolle spielen. Zudem wird darin bekräftigt, dass Hochschuleinrichtungen ermutigt werden müssen, ihre Fähigkeit zur Interaktion mit ihren Ökosystemen, einschließlich gesellschaftlicher Akteure, zu verbessern, indem sie die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen vermitteln (4).

(4)

In der Empfehlung des Rates zu einem Pakt für Forschung und Innovation in Europa wird gefordert, eine aktivere Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und der Gesellschaft in Forschung und Innovation in all ihren Dimensionen zu fördern, das Bewusstsein für den Nutzen und die Wirkung von Forschung und Innovation im täglichen Leben der Menschen zu schärfen, für eine größere Vielfalt von Ansätzen für die Gestaltung und Umsetzung der Forschungs- und Innovationspolitik zu sorgen und die Bedeutung von FuI für die Gesellschaft zu erhöhen (5).

(5)

In seiner Empfehlung (6) zu einem europäischen Rahmen zur Gewinnung und Bindung von Talenten in den Bereichen Forschung, Innovation und Unternehmertum in Europa empfiehlt der Rat den Mitgliedstaaten, einen besonderen Schwerpunkt auf Programme zu legen, mit denen die Kompetenzen gestärkt werden sollen, die Forschende bereits zu Beginn ihrer Laufbahn benötigen, um an Aktivitäten der Wissensvalorisierung mitwirken zu können, und Bewertungs- und Vergütungssysteme für Forschende zu fördern und zu unterstützen, die unter anderem vielfältige Arbeitsergebnisse und Tätigkeiten, auch die Interaktion mit der Gesellschaft, anerkennen.

(6)

Der Übergang zu einer offenen Wissenschaft und die Hinwendung zu offener Innovation stellen sowohl Chancen als auch Herausforderungen im sich entwickelnden FuI-Ökosystem dar. Das Konzept der Bürgerwissenschaft hat als Schlüsselelement des Europäischen Forschungsraums zur Förderung der Forschung an Bedeutung gewonnen, während die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und der Gesellschaft in FuI die Relevanz der Forschung für gesellschaftliche Belange erhöht und das Vertrauen in die Wissenschaft stärkt. Diese Entwicklungen sollen sicherstellen, dass die Investitionen der Union in FuI in Exzellenz münden und Wirkung zeigen, und zugleich die Interessen der Union wahren. In diesem Zusammenhang trägt das Instrumentarium zur Bekämpfung ausländischer Einflussnahme im FuI-Bereich (7) dazu bei, das Bewusstsein zu schärfen und die Widerstandsfähigkeit der FuI-Branche in ganz Europa zu stärken, um die Forschungssicherheit bei gemeinsamen FuI-Tätigkeiten zu erhöhen (8).

(7)

Die Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen birgt Chancen und Herausforderungen, da sie unterschiedliche Akteure wie Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), lokale Gemeinschaften und Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen (NRO), Bürgergruppen, Sozialpartner, Kunst- und Kultureinrichtungen betreffen kann, die einzigartige Kompetenzen und Beiträge in eine wirkungsvolle Valorisierung von Wissen einbringen können (9).

(8)

Die Bürgerbeteiligung sollte eine gängige Praxis bei der Valorisierung von Wissen sein, vor allem wenn es — neben herkömmlichen Gewinnfaktoren — auch darum geht, den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und dem Nutzen für die Gesellschaft stärker Rechnung zu tragen. Sie sollte ein nachhaltiges und wiederkehrendes Engagement von Gruppen und Gemeinschaften in einem günstigen Umfeld fördern, in dem der Nutzen und der geschaffene Wert anerkannt werden und Organisationen strategische Konzepte zur Förderung dieses Engagements entwickeln.

(9)

Ziel des Verhaltenskodex für die Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen ist es, den an Forschung und Innovation (FuI) beteiligten Akteuren wirksame Leitlinien und geeignete Instrumente an die Hand zu geben. Der Verhaltenskodex wird FuI-Akteure dabei unterstützen, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, partizipatorische Prozesse und Verfahren einzuführen und zu einer nachhaltigen Bürgerbeteiligung beizutragen, damit innovative, wissensbasierte Lösungen besser auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger abgestimmt werden können.

(10)

Der Verhaltenskodex baut auf den Beiträgen der Community of Practice für Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen auf und stützt sich zudem auf die Ergebnisse einer Studie über bewährte Verfahren der Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen (10).

(11)

Alle FuI-Akteure wie Universitäten und andere Hochschuleinrichtungen, öffentliche und private Forschungs-, Innovations- und Technologieorganisationen, Forschungs- und Technologieinfrastrukturen, Unternehmen jeder Größe, politische Entscheidungsträger und andere Akteure, z. B. Städte und Gemeinden, die Zivilgesellschaft und Bürgergruppen, sowie Vermittler, wie etwa Fachkräfte für Wissens- und Technologietransfer, Gründerzentren, Wissenschaftsparks, Labors und Hubs, werden zur Einhaltung dieses Verhaltenskodex aufgefordert.

(12)

Die Empfehlungen unter Punkt 2 des Verhaltenskodex wurden zwar mit Blick auf die Organisationsebene entwickelt, bieten jedoch auch für einzelne Forschende, Innovatoren und im Bereich der Bürgerbeteiligung tätige Fachkräfte eine wichtige Orientierungshilfe. Die Empfehlungen unter Punkt 3 des Verhaltenskodex sollen als Richtschnur für Fachkräfte bei der Konzeption und Durchführung von Programmen und Initiativen zur Bürgerbeteiligung sowie als Anleitung für alle Akteure und Interessenträger dienen, die entscheidend zum Erfolg dieser Maßnahmen beitragen (u. a. Bürgerinnen und Bürger, Forschende, Industrie, Vermittler, politische Entscheidungsträger usw.).

(13)

Diese Leitlinien werden das dynamische Forschungs- und Innovationsumfeld innerhalb des EFR weiter voranbringen, damit das Potenzial der Bürgerbeteiligung für eine wirkungsvolle Wissensvalorisierung und einen positiven gesellschaftlichen Wandel besser anerkannt wird —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

1.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Für die Zwecke dieser Empfehlung bezeichnet der Ausdruck

1.

„Valorisierung von Wissen“ den Prozess der Schaffung von sozialen und wirtschaftlichen Werten aus Wissen, indem verschiedene Bereiche und Sektoren miteinander verknüpft und Daten, Know-how und Forschungsergebnisse in nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Lösungen und wissensbasierte Strategien umgewandelt werden, die Nutzen für die Gesellschaft bringen (11);

2.

„Bürgerbeteiligung“ die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an partizipativen Prozessen der Entscheidungsfindung, Umsetzung und Überwachung, um die Qualität, Transparenz und Verantwortlichkeit der Politik auf lokaler, nationaler und EU-Ebene zu verbessern (12); dies ist von der Konferenz zur Zukunft Europas und den daraus entstandenen europäischen Bürgerforen mit Blick auf die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen sowie auf die Anpassung neuer Instrumente durch Bürgerforen in Schlüsselbereichen nachdrücklich unterstützt worden (13). Es besteht auch eine Verbindung zum neugestalteten Portal „Ihre Meinung zählt“ einschließlich der Online-Plattform für Bürgerbeteiligung.

3.

„Bürgerwissenschaft“ die freiwillige Mitwirkung nichtberufsmäßiger Wissenschaftler an Forschung und Innovation in verschiedenen Phasen und auf verschiedenen Ebenen des Engagements, von der Gestaltung von Forschungsagenden und -strategien über die Erhebung, Verarbeitung und Analyse von Daten bis hin zur Bewertung von Forschungsergebnissen (14);

4.

„Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen“ die Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Bürgergruppen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Gemeinschaften mit FuI-Akteuren zur Valorisierung von Wissen und Forschungsergebnissen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die auf gesellschaftliche Bedürfnisse ausgerichtet sind, zur Nutzung von Marktchancen beitragen und in die Politikgestaltung einfließen. Erreicht wird dies durch die Kommerzialisierung, Markteinführung und Verwendung innovativer und besser auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnittener Produkte, Technologien oder Dienstleistungen am Arbeitsplatz oder in der Gesellschaft, indem ein nicht monetarisierter Wert für die Gesellschaft durch die Bereitstellung von Informationen für politische Entscheidungsträger, die Verbesserung der Politikgestaltung, Sensibilisierung, die Förderung von Kompetenzen und Wissen sowie durch die Entwicklung neuer Organisations-, Verbrauchs- und Produktionsmodelle, die Verhaltensänderungen und einen Wandel in der Gesellschaft begünstigen, geschaffen wird (15);

5.

„Wissenschaft“ Hochschulen und andere Hochschuleinrichtungen, einschließlich öffentlicher und privater Forschungs- und Technologieorganisationen (16), Fachhochschulen und anderer Einrichtungen der höheren Berufsbildung;

6.

„geistiger Vermögenswert“ alle Ergebnisse oder Produkte, die durch FuI-Tätigkeiten generiert werden (wie Rechte des geistigen Eigentums, Daten, Know-how, Prototypen, Prozesse, Verfahrensweisen, Technologien, Software) (17);

7.

„offene Wissenschaft“ einen Ansatz für das wissenschaftliche Verfahren, der auf offener kooperativer Arbeit, Instrumenten und der Verbreitung von Wissen beruht, gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates (18);

8.

„offene Innovation“ den Ansatz, den Innovationsprozess auch außerhalb einer Organisation zugänglich zu machen (19);

9.

„offener Zugang“ den dem Endnutzer kostenfrei gewährten Zugang zu Forschungsdaten, einschließlich wissenschaftlicher Veröffentlichungen, gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 39 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2021/695.

2.   SCHAFFUNG EINES GÜNSTIGEN UMFELDS FÜR NACHHALTIGE BÜRGERBETEILIGUNG

2.1.   Es wird empfohlen, auf Organisationsebene eine Beteiligungsstrategie zur Wertschöpfung innerhalb eines kohärenten Aktionsrahmens einzuführen, und zwar durch:

Festlegung der Ziele der Zusammenarbeit mit den beteiligten Interessenträgern (z. B. mit Bürgerinnen und Bürgern und Bürgergruppen, Städten und Gemeinden, der Wissenschaft, Partnern aus der Industrie und politischen Entscheidungsträgern) sowie ihrer Anreize und Erwartungen;

Entwicklung einer klaren und transparenten Argumentation, die zeigt, wie die Bürgerbeteiligung einen gesellschaftlichen Mehrwert bringt;

Ermittlung von kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungspfaden unter besonderer Berücksichtigung der Hauptziele, den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger mit innovativen Lösungen Rechnung zu tragen und FuI-bezogene politische Ziele zu erreichen, einschließlich — soweit möglich — potenzieller über die angestrebten Ziele hinausgehender Auswirkungen, wie z. B. Stärkung der Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern, Stärkung des Vertrauens in die Wissenschaft und Förderung der Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger (Entwicklung neuer Fähigkeiten und Kompetenzen, etwa im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement, Kreativität, Innovation und Unternehmertum);

Entwicklung eines Fahrplans für die Valorisierung, der sicherstellt, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger einen Mehrwert für Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt, und in dem die zur Erzielung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wirkungen erforderlichen Ressourcen berücksichtigt werden. Dies sollte eine angemessene Planung aller Phasen der Maßnahme, insbesondere der Follow-up-Phasen, umfassen und die Mitwirkung privater und öffentlicher Akteure vorsehen, die sich für die Verbreitung von Lösungen (auch für die zur Erreichung der Einsatzphase erforderlichen Weiterentwicklungen) verantwortlich zeigen. Der Valorisierungsfahrplan sollte auch die Kapazitäten und (den Zugang zu) Ressourcen vorsehen, die zur Förderung der Verbreitung u. a. in der Industrie, in der Wissenschaft und bei politischen Entscheidungsträgern ebenso wie in Städten und Gemeinden benötigt werden. Berücksichtigt werden sollten ferner die für die Einführung der Lösungen auf dem Markt und in die Gesellschaft erforderlichen Mittel, wie öffentliche Finanzierung, Crowdfunding, Unternehmensförderung usw.;

dazu gehört auch ein Überwachungs- und Evaluierungsrahmen, u. a. zur Bewertung des mit dem Bürgerbeteiligungsprozess verbundenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Werts.

2.2.   Kapazitätsaufbau und Entwicklung von Synergien sind Schlüsselelemente einer wirksamen Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen. Dazu wird Folgendes empfohlen:

Schulung und Kompetenzentwicklung des an der Valorisierung von Wissen beteiligten Personals, um das gesellschaftliche Engagement und die Nutzung partizipativer Verfahren und Prozesse zu stärken;

Aufbau eines fundierten Fachwissens im Bereich partizipativer Verfahren in öffentlichen Verwaltungen durch Programme zum Kapazitätsaufbau für öffentliche Bedienstete sowie Aufnahme von Fähigkeiten in den Bereichen gemeinsame Gestaltung und Bürgerbeteiligung in den Kompetenzrahmen aller öffentlichen FuI-Einrichtungen und politischen Gremien;

Ermittlung von Komplementaritäten und Schaffung von Synergien mit anderen Initiativen, Plattformen und Programmen sowie mit in diesem Bereich tätigen privaten Unternehmen;

kontinuierliche Analyse einschlägiger lokaler, regionaler und bestehender politischer Maßnahmen, Programme und Strategien der EU.

2.3.   Es wird empfohlen, einen Ansatz der transdisziplinären und sektorübergreifenden Zusammenarbeit zu verfolgen und geistige Vermögenswerte angemessen zu verwalten. Dazu ist Folgendes erforderlich:

Nutzung von Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sektoren und Bereichen wie Technologie, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und allen Wissenschaftsdisziplinen, einschließlich der Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und Künste, zur Entwicklung transdisziplinärer Programme und Maßnahmen;

Einbeziehung der Verwaltung geistiger Vermögenswerte gemäß dem Verhaltenskodex für die Verwaltung geistiger Vermögenswerte zur Valorisierung von Wissen im EFR (20), um dem Hintergrundwissen aller Teilnehmenden, der offenen Innovation, der offenen Wissenschaft, der Nutzung von Daten für die gemeinsame Gestaltung innovativer Lösungen sowie der Nutzung und dem Austausch von Ergebnissen Rechnung zu tragen;

Bemühen um die Anerkennung des Beitrags aller zu den Ergebnissen, indem — möglichst schon zu Beginn der Maßnahme — klare Bestimmungen über Urheberschaften festgelegt und die Beiträge der Bürgerinnen und Bürger, auch in Präsentationen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Manuskripten und Beschreibungen der Endergebnisse und -produkte, anerkannt werden;

gegebenenfalls Verfolgen eines Ansatzes des offenen Zugangs zur Förderung der Wiederverwendbarkeit von Ergebnissen;

Gewährleistung des Schutzes der Privatsphäre, der Vertraulichkeit und der ethischen Grundsätze bei der Verwaltung geistiger Vermögenswerte, vor allem beim Umgang mit Daten sowie bei der Verbreitung und Weitergabe von Ergebnissen.

2.4.   Zur Gewährleistung der sozialen Inklusion, der Vielfalt und der Gleichstellung der Geschlechter wird Folgendes empfohlen:

Anpassung der Strategie zwecks Einbeziehung aller Zielgruppen, einschließlich schutzbedürftiger oder marginalisierter Menschen, unterrepräsentierter Menschen, jüngerer Menschen, älterer Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund, indem Hindernisse für die Beteiligung, unter anderem auch bedingt durch einen Mangel an einschlägigen Kompetenzen und Mitteln, abgebaut werden;

Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unterschiedlich stark an der Maßnahme beteiligen können und manche mehr Zeit und Ressourcen investieren können als andere;

Bemühen um Interdisziplinarität und Komplementarität in den Forschergruppen, damit diese möglichst gut auf die Bürgerinnen und Bürger und andere Akteure abgestimmt sind;

bei Bedarf Einbeziehung spezifischer beruflicher Fähigkeiten und Profile, z. B. Experten für Vermittlung und Mediation, Rechtsexperten zur Unterstützung bei der Verwaltung geistiger Vermögenswerte und Experten für Bürgerbeteiligung sowie Experten für Inklusivität, Vielfalt und Ethik.

2.5.   Bürgerbeteiligungsprogramme sollten gegebenenfalls die Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit von Maßnahmen der Bürgerbeteiligung fördern, und zwar durch:

Unterstützung der Nutzung bestehender und gegebenenfalls der Entwicklung neuer Rahmen, Instrumentarien und Leitlinien, die von Organisationen und Gemeinschaften nach ihren jeweiligen Bedürfnissen angepasst und verwendet werden können (21);

Förderung des Austauschs und der Zugänglichkeit von Instrumenten und Leitlinien, bewährten Verfahren und gewonnenen Erkenntnissen;

Einbeziehung einschlägiger Vermittler, die die Interaktion mit den betroffenen Gemeinschaften erheblich erleichtern und die Verfahren zur Replikation und Hochskalierung steuern können, soweit dies unter Berücksichtigung etwaiger kontextbedingter Besonderheiten relevant und angemessen ist;

Nutzung von Plattformen, die die verschiedenen FuI-Interessenträger (Forschung und Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Industrie, anwendende Fachkräfte und politische Entscheidungsträger) zusammenbringen (22);

Erleichterung der Nutzung vorhandener digitaler Plattformen und öffentlicher Archive (23), in denen die Herausforderungen und Chancen von Beispielen für bewährte Verfahren bei langfristigen Maßnahmen der Bürgerbeteiligung dokumentiert werden, und Gewährleistung ihrer Sichtbarkeit und Nachhaltigkeit;

Entwicklung spezieller maßgeschneiderter Leitlinien für die praktische Umsetzung vor Ort, wobei nach Möglichkeit auch einschlägige Fallstudien aus ähnlichen Kontexten genutzt werden sollten.

2.6.   Es wird empfohlen, die Zeit und den Aufwand der in den Bürgerbeteiligungsprozess involvierten Akteure anzuerkennen und wertzuschätzen, unter anderem durch:

Unterstützung der Entwicklung von Anreizen und Belohnungen wie Preise, öffentliche/formale Anerkennungssysteme auf lokaler Ebene, z. B. von Gemeinden, Bürgerverbänden, öffentlichen Einrichtungen, Hochschulen und Fördereinrichtungen;

Anerkennung und Belohnung bei der Leistungsbewertung von Forschenden in Anlehnung an die Arbeit der Koalition zur Reform der Forschungsbewertung (Coalition for Advancing Research Assessment).

2.7.   Es wird empfohlen, Maßnahmen zur Sensibilisierung für die Vorteile der Valorisierung von Wissen zu unterstützen, unter anderem durch:

Durchführung von Initiativen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit unter Einbeziehung einschlägiger Interessenträger wie Gemeinschaftsorganisationen, gemeinnützige Organisationen, Kommunalbehörden, Wissenschaft und Unternehmen;

Förderung von Sensibilisierungskampagnen und Schulungsmaßnahmen innerhalb der einzelnen Organisationen, die sich an deren eigenes Personal richten;

Förderung des Engagements der Bürgerinnen und Bürger durch gezielte Maßnahmen wie Kampagnen, öffentliche Versammlungen und Online-Plattformen.

2.8.   Auf Organisationsebene sollte ein klar definierter Evaluierungsrahmen vorgesehen werden, um die Wirksamkeit der Bürgerbeteiligung und der partizipativen Prozesse, die zu einer Valorisierung des Wissens führen, zu bewerten. Dazu wird Folgendes empfohlen:

Festlegung geeigneter quantitativer und qualitativer Indikatoren und Parameter zur Bewertung der Maßnahmen der Bürgerbeteiligung, wobei die Indikatoren und Parameter auf die Ziele der betreffenden Maßnahme abgestimmt und auf die Bedürfnisse der Interessenträger zugeschnitten sein und auf einer von allen Beteiligten gemeinsam erörterten, definierten und verstandenen Vision beruhen sollten;

Berücksichtigung der Tatsache, dass allgemein übliche Output-Indikatoren nur bedingt geeignet sind, ein umfassendes Bild von der Wirksamkeit des partizipativen Prozesses zu vermitteln, und dass es notwendig ist, über reine Outputs hinaus die Ergebnisse und Auswirkungen der konkreten Maßnahme zu bewerten;

Berücksichtigung von Schlüsselbereichen für einen Evaluierungsrahmen, z. B. Öffentlichkeitsarbeit mit einer genauen Prüfung der Beteiligten und Beteiligungsbedingungen, partizipative Maßnahmen, die daraufhin bewertet werden, wie die verschiedenen Akteure in den Prozess eingebunden sind, und Wertschöpfung, die eine Ermittlung und Bewertung des durch den partizipativen Prozess generierten Nutzens erfordert.

3.   VERWALTUNG DER BÜRGERBETEILIGUNG BEI DER VALORISIERUNG VON WISSEN

3.1.   Es wird empfohlen, die Anreize und Erwartungen aller Partner klar zu bestimmen und zu regeln. Dazu ist Folgendes erforderlich:

Klare Definition und Kommunikation der Anreize, die die einzelnen Akteure dazu bewegen, sich für die Valorisierung von Wissen zu engagieren, insbesondere:

a)

Anreize für Bürgerinnen und Bürger, z. B. Wertschätzung, ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft, die Weitergabe von Wissen, das Gefühl, etwas bewirken und/oder einen wertvollen Beitrag leisten zu können, die Beschäftigung mit Wissenschaft, das Erlernen von etwas Neuem, der Erwerb neuer Kompetenzen etwa in den Bereichen Projektmanagement und Unternehmertum, der Erhalt materieller Auszeichnungen,

b)

Anreize für Forschende, z. B. die formelle Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Rolle in der Gemeinschaft, Karriere- und Mobilitätschancen, Möglichkeiten der Vernetzung und Multi-Stakeholder-Zusammenarbeit sowie die Erzielung von Fortschritten im eigenen Fachbereich und die Entwicklung von Lösungen mit hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wirkung,

c)

Anreize für die Industrie, z. B. die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die besser auf die Bedürfnisse der Gesellschaft abgestimmt sind und die soziale Verantwortung eines Unternehmens beweisen,

d)

Anreize für politische Entscheidungsträger und andere Akteure des öffentlichen Sektors, z. B. eine bessere Politikgestaltung und die Bereitstellung von Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen sowie die Stärkung des Vertrauens in die Politikgestaltung und ihrer Transparenz.

Sicherstellung, dass die Anreize mit ethischen Grundsätzen und Werten in Einklang stehen, insbesondere wenn es um sensible Themen oder schutzbedürftige Personengruppen geht;

Berücksichtigung des kulturellen Kontextes und kultureller Unterschiede bei der Wahrnehmung und Wertschätzung von Anreizen;

Ermittlung der Erwartungen der Teilnehmenden, vor allem der Bürgerinnen und Bürger, der Forschenden, der Industrie und der politischen Entscheidungsträger, im Rahmen eines Prozesses der gemeinsamen Gestaltung, bei dem die Erwartungen gemeinsam entwickelt werden;

Berücksichtigung der Notwendigkeit von Flexibilität und Anpassung, damit die Erwartungen weiterhin mit dem sich wandelnden Kontext und den Zielen des Engagements harmonieren, sowie Einrichtung von transparenten und vertrauensbildenden Mechanismen zur Konfliktbewältigung und -lösung für den Fall, dass Erwartungen nicht erfüllt werden oder Konflikte entstehen.

3.2.   Es wird empfohlen, die Dynamik während des gesamten Beteiligungsprozesses zu erhalten, und zwar durch:

Gewährleistung eines Umfelds, das den Grundsatz der Transparenz fördert und Vertrauen unter allen Beteiligten schafft, einschließlich der von den Ergebnissen der Maßnahme betroffenen Gemeinschaft(en);

Einrichtung eines kontinuierlichen und transparenten Austauschs mit allen Teilnehmenden, in dem die Relevanz ihrer Beiträge klar zum Ausdruck kommt und sie transparenten Einblick in die Verwendung ihrer Beiträge erhalten;

Nutzung einer zugänglichen und inklusiven Sprache und Erleichterung des Zugangs der Bürgerinnen und Bürger zu hochwertigen Informationen und Ressourcen, erforderlichenfalls auch durch geeignete Schulungen (z. B. über Datenverwaltung, zur Vermittlung von Hintergrundwissen oder über geistiges Eigentum).

3.3.   Es wird empfohlen, die geeignete einheitliche Methode bzw. den geeigneten Methoden- und Instrumentenmix für die Umsetzung festzulegen (z. B. Reallabore, deliberative Plattformen, Hackathons, Konsultationen usw.), insbesondere durch:

Bemühen um die bestmögliche Abstimmung zwischen den Zielen der Maßnahme, der Zielgruppe, der Beteiligungsphase, den Ressourcen und dem spezifischen Kontext sowie den Eigenschaften der verschiedenen Methoden/Instrumente bei der Wahl einer Methode oder Kombination von Methoden und Instrumenten;

Anwendung bekannter bewährter Verfahren und Leitlinien sowie Nutzung vorhandener Expertise, Netzwerke und Instrumente (24);

Bewahrung des im Rahmen von Maßnahmen der Bürgerbeteiligung gewonnenen Wissens und Weitergabe der erlernten Vorgehensweisen und gewonnenen Erkenntnisse zum Nutzen einer wachsenden Gemeinschaft von Fachkräften im Bereich der Bürgerbeteiligung zur Valorisierung von Wissen.

3.4.   Zur Entwicklung und Umsetzung einer geeigneten Kommunikationsstrategie für die Beteiligungsmaßnahme wird Folgendes empfohlen:

Bereitstellung zielgerichteter Kommunikationsmaterialien und Briefings an alle beteiligten Akteure, in denen ihre Rolle, die erwarteten Ergebnisse, der Nutzen usw. klar erläutert werden;

klare Vermittlung der potenziellen sozialen und wirtschaftlichen Wirkung zur Stärkung der Eigenverantwortung aller Teilnehmenden;

Kommunikation nicht nur in der Anfangsphase als Informations- und Rekrutierungsinstrument, sondern während des gesamten Prozesses;

Gewährleistung der Klarheit und Transparenz der Botschaften an Teilnehmende und alle Interessenträger, nach Möglichkeit durch Hinzuziehung von Fachleuten für wissenschaftliche Kommunikation;

Aufrechterhaltung eines offenen Feedback-Kanals zwischen Organisatoren, Bürgerinnen und Bürgern und anderen Interessenträgern, damit deren Rückmeldungen in die Überwachung und Bewertung der Maßnahme einfließen können, über die von Anfang an klar informiert wird, und der Rahmen der Zusammenarbeit verbessert werden kann, wobei die Bitten um Feedback von Bürgern und anderen Teilnehmenden aber überschaubar bleiben;

Kommunikation „nach außen“, d. h. gerichtet an ein breiteres Publikum außerhalb des Forschungsprojekts/Prozesses der gemeinsamen Gestaltung; dazu gehört auch das Aufzeigen von Erfolgsgeschichten und positiven Ergebnissen, die aus der Bürgerbeteiligung bei der Valorisierung von Wissen resultieren, um andere zu inspirieren und praktische Beispiele für künftige Initiativen zu liefern.

3.5.   Es wird empfohlen, das Potenzial digitaler Technologien zu nutzen, um Maßnahmen der Bürgerbeteiligung insbesondere durch die Vernetzung von Teilnehmenden aus vielen Regionen zu erleichtern, und zwar durch:

Förderung der Nutzung digitaler Lösungen mit einer auf den Menschen ausgerichteten und nachhaltigen Gestaltung;

Befähigung der Bürgerinnen und Bürger zur Nutzung geeigneter digitaler Plattformen durch Kompetenzentwicklung und Schulungsmaßnahmen;

gegebenenfalls Nutzung digitaler Technologien neben traditionellen Technologien, um Beteiligung und Inklusivität zu erhöhen.

Brüssel, den 1. März 2024

Für die Kommission

Iliana IVANOVA

Mitglied der Kommission


(1)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Research & Innovation Valorisation Channels and Tools — Boosting the transformation of knowledge into new sustainable solutions, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2020.

(2)  Empfehlung (EU) 2022/2415 des Rates vom 2. Dezember 2022 zu Leitprinzipien für die Valorisierung von Wissen (ABl. L 317 vom 9.12.2022, S. 141).

(3)  Anlage zu den Schlussfolgerungen des Rates vom 26. November 2021 zur künftigen Governance des Europäischen Forschungsraums.

(4)  Ratsdokument 14705/22.

(5)  Ratsdokument 13701/21.

(6)  Empfehlung des Rates vom 18. Dezember 2023 über einen europäischen Rahmen zur Gewinnung und Bindung von Talenten in den Bereichen Forschung, Innovation und Unternehmertum in Europa (ABl. C, C/2023/1640, 29.12.2023, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/1640/oj).

(7)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Tackling R&I Foreign Interference — Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2022.

(8)  Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat über eine „Europäische Strategie für Wirtschaftliche Sicherheit“ (JOIN(2023) 20 final).

(9)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Fostering knowledge valorisation through the arts and cultural institutions, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2022.

(10)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Fostering Knowledge valorisation through citizen engagement, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2024.

(11)  Empfehlung (EU) 2022/2415.

(12)  Europäischer Ausschuss der Regionen, From local to European: Putting citizens at the centre of the EU agenda, Direktion Kommunikation des Europäischen Ausschusses der Regionen, 2019.

(13)  Konferenz zur Zukunft Europas — Europäische Kommission (europa.eu).

(14)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Citizen Science — Elevating research and innovation through societal engagement, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2020.

(15)  Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Fostering Knowledge valorisation through citizen engagement, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, erscheint in 2024.

(16)  In Anlehnung an die Definition des akademischen Sektors in der kommentierten Musterfinanzhilfevereinbarung für Horizont 2020.

(17)  Empfehlung (EU) 2023/499 der Kommission vom 1. März 2023 für einen Verhaltenskodex für die Verwaltung geistiger Vermögenswerte zur Valorisierung von Wissen im Europäischen Forschungsraum (ABl. L 69 vom 7.3.2023, S. 75).

(18)  Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1290/2013 und (EU) Nr. 1291/2013 (ABl. L 170 vom 12.5.2021, S. 1).

(19)  Empfehlung (EU) 2023/499.

(20)  Empfehlung (EU) 2023/499.

(21)  Zum Beispiel die Leitlinien und Instrumente des Kompetenzzentrums für partizipative Demokratie, das Handbuch mit dem Titel Do it yourself (DIY) manual for mobilising and engaging stakeholders and citizens in climate change adaptation planning and implementation, and the Corporate Guidance for Citizen Engagement (Dezember 2023).

(22)  Zum Beispiel die Gemeinschaft für Europäische Forschung und Innovation im Dienste der Sicherheit (CERIS).

(23)  Zum Beispiel die EU-Plattform zur Valorisierung von Wissen, die EU-Plattform für Bürgerwissenschaft oder die Plattform „LivingLabs“.

(24)  Siehe z. B. Climathon (climate-kic.org). Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung und Innovation, Pottaki, I., Valorising research through citizens’ engagement — How to run hackathons with citizens, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2022.


ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2024/736/oj

ISSN 1977-0642 (electronic edition)