Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Überraschung im Schweizer UntergrundAmmoniten, Korallen und ein Krokodil bei Endlager-Suche entdeckt

Ein Stück Schweizer Urgeschichte aus rund 700 Metern Tiefe: Mineure und Geologen mit einem Bohrkern auf dem Nagra-Standort in Bachs im Kanton Zürich im Oktober 2021.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Um ein sicheres Endlager für radioaktive Abfälle zu bestimmen, hat die Nagra während drei Jahren die Nordschweiz durchlöchert. Tausende Bohrkerne, aufbewahrt in einer Lagerhalle in Würenlingen AG, erlauben eine geologische Reise durch Raum und Zeit. Ein Augenschein.

Auf Klapptischen, in schmalen Holzkisten verpackt liegen die Schätze der Tiefenlagersuche der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra). Neun Löcher, bis zu 1300 Meter tief, haben die Forschenden in den letzten fast drei Jahren in den potenziellen Standortgebieten für ein geologisches Tiefenlager (Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost) in den Boden gebohrt. Die Ausbeute: mehr als sechs Kilometer Bohrkerne, jeweils unterarmdick und rund einen Meter lang.

Fast 5000 Proben

Die Geschichte der dunkelgrauen, braunen, roten und grünen Kerne reicht 200 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit – in eine Zeit, in der die Schweiz über Jahrmillionen von einem warmen, seichten Meer überflutet war.

Nagra-Chef Matthias Braun mit einem zerschnittenen Bohrkern im Dezember 2021 im Bohrkernlager der Nagra in Würenlingen.

Viele Bohrkerne in den Kisten sind durchtrennt, ihnen fehlt ein rund zehn Zentimeter langes Stückchen. Etwa 5000 solcher Proben wurden entnommen, um die Fossilien, Mineralien, Pollen, Mikro-Brüche oder das eingeschlossene Wasser zu analysieren. «Dies alles gibt Auskunft über die damals herrschenden klimatischen und paläogeographischen Verhältnisse und die geologischen Prozesse», sagt Matthias Braun, promovierter Geologe und CEO der Nagra während eines Besuchs vor Ort.

Krokodil tief unter der Erde

Die Geologie der Schweiz ist zwar äusserst detailliert untersucht. Und doch schlummern im Untergrund noch Überraschungen. So durchbohrten die Forschenden erst vergangenen Herbst im Standortgebiet Nördlich Lägern in 915 Metern Tiefe ein ausgestorbenes Krokodil – einen Pelagosaurus, was so viel bedeutet wie «Eidechse des offenen Meeres».

1 / 3
In der Staffeleggformation wurden auch schon Überreste des Ichthyosaurier gefunden.
Dieses Urkrokodil wurde in Deutschland entdeckt. Regina Hostettler, die Ausgrabungen für das Naturhistorische Museum Bern unterstützt, zeigt eine Kopie eines versteinerten Pelagosaurus. (Archivbild)
Versteinerter Pelagosaurus in einem Museum in der Nähe von Stuttgart.

Eingeschlossen war das äusserst seltene Fossil in der Staffeleggformation, laut Experten der Nagra könnte es sich um das erste dieser Art in der Schweiz handeln. In Deutschland gab es bereits solche Funde in einer entsprechenden Gesteinsschicht. «Der Schweizer Fund erlaubt uns nun, den Verlauf dieser geologischen Formation viel genauer nachzuzeichnen», sagt Braun.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Der Pelagosaurus lebte sieben Millionen Jahre lang in flachen Schelfmeeren, die grosse Teile des heutigen Westeuropa bedeckten. Vor 176 Millionen Jahren starb das Urreptil aus. Es glich dem heute noch lebenden Gavial, der in Nepal und Indien vorkommt und vom Aussterben bedroht ist.

In der Staffeleggformation wurden auch Überreste anderer ausgestorbener Meeresreptilien gefunden, darunter solche des Ichthyosaurier.

Der namensgebende Ammonit

Es ist diese Detailtreue, die die bestmögliche Sicherheit während der gesamten Einschlusszeit des Atommülls gewähren soll. In mehreren hundert Meter Tiefe, geschützt vor Erosion oder Gletschern der nächsten Eiszeit.

Die wichtigste Sicherheitsbarriere ist die dunkelgraue, tonhaltige Gesteinsschicht: Der Opalinuston. Der versteinerte feine Tonschlamm, einst abgelagert am Meeresboden, ist enorm wasserdicht, schluckt strahlende Teilchen quasi, sodass sie nicht entweichen können und schliesst zudem Risse innert Wochen von selbst.

Dieser versteinerte Ammonit in einem Bohrkern der Nagra befand sich 600 Meter tief im Untergrund des Kantons Aargau.

«Selbstheilungskräfte», nennt der Geologe Braun die Eigenschaft und deutet auf einen Opalinuston-Bohrkern aus Stadel-2, einem Bohrungsstandort von Nördlich Lägern. Eingeschlossen im Kern ist ein etwa Fünfliber-grosser Ammonit – ein Leioceras opalinum, der dem Gestein seinen Namen gab.

Korallenriff in der Schweiz

Doch die Nagra interessiert sich nicht nur für den Opalinuston, sondern auch für die darunter- und die darüber liegenden Gesteine. Diese sogenannten «Rahmengesteine» sind nicht ganz so undurchlässig wie der Opalinuston, weil der Tongehalt niedriger ist. Aber Untersuchungen zeigen, dass Wasser äusserst langsam durch diese Mergel-, Kalk- und Sandstein-Schichten fliesst.

Auf ein besonderes Beispiel eines solchen Rahmengesteins lässt sich im Bohrkernlager ein Blick erhaschen: Ein zusammengebrochenes Korallenriff. Das versteinerte Riff ist etwa 180 Millionen Jahre alt und erstreckte sich über bis zu fünf Quadratkilometer in der heutigen Nordwestschweiz.

Entscheid im Herbst

Voraussichtlich Mitte März wird sich ein Bohrer zum letzten Mal im Dienste der Endlagersuche in den Boden fressen. Im Herbst dann wird die Nagra darlegen, auf welchen Standort ihre Wahl gefallen ist.

Ob es bereits einen Favoriten gebe? «Jeder hat einen Favoriten, der Geophysiker, die Strukturgeologin, der Lithostratigraphie-Experte», sagt Braun. Alle Gebiete verfügen über eine etwa 110 Meter mächtige Opalinuston-Schicht, die allerdings nicht überall gleich tief liegt.

Auch die Gesteinsschichten ober- und unterhalb des Opalinustons unterscheiden sich. Nun gehe es darum, die verschiedenen Aspekte zusammenzubringen und einen Konsens zwischen den Fachleuten zu finden, um den besten Standort auszuwählen.

Er betont aber auch: «Alle drei Gebiete sind hervorragend.» Die gesetzlich geforderten Werte für die Strahlenbelastung an der Oberfläche eines Endlagers betrage 0,1 Millisievert pro Jahr. Beim Opalinuston rechne man mit 0,0001 Millisievert, was einem tausendmal geringeren Wert entspreche.

Blick auf den Bohrplatz der Nagra in Stadel bei Niederglatt im Kanton Zürich.

«Es ist wirklich ein Super-Gestein», so Braun. Zum Vergleich: Die natürliche Strahlenbelastung in der Schweiz, verursacht beispielsweise durch die lokale Geologie oder Reststrahlung des Reaktorunfalls in Tschernobyl, beträgt rund 5,8 Millisievert.

Die Bohrkerne indessen sollen auch nach dem endgültigen Entscheid nicht entsorgt werden, sondern vorerst im Kernlager der Nagra in Mellingen und im Kernlager des Bundes archiviert werden. Denn der Schatz sei zu wertvoll um ihn wie den Atommüll endzulagern, sowohl für weitere Forschung als auch für die Ausbildung von Studentinnen und Studenten.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

SDA/oli