Die Entsorgung von Atommüll berührt nicht nur wissenschaftliche und technische Aspekte, sondern auch gesellschaftliche, ökologische und ethische Fragen.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kann uns helfen, das Tiefenlager zu verbessern, wie wir in der dritten Folge einer Artikelserie sehen werden.In der ersten Folge «Atommüll und KI: ChatGPT» widmeten wir uns der Frage, was ChatGPT über die Nagra und zur Lagerung radioaktiver Abfälle zu sagen hat.
Jetzt interessiert uns, wie die KI das Thema Tiefenlager visualisiert. Künstliche Intelligenz kann helfen, die Funktionsweise eines Tiefenlagers verständlich abzubilden.
Bildliche Darstellungen können die Vorstellung beeinflussen, die sich die Öffentlichkeit von der nuklearen Entsorgung macht. Bekanntlich sagt «ein Bild mehr als tausend Worte». Grund genug, uns das genauer anzusehen.
Wenn wir in eine gewöhnliche Suchmaschine wie zum Beispiel Google «Behälter für radioaktiven Abfall» eingeben, sehen wir eine Vielzahl von Fotos, die eines gemeinsam haben: Es sind real existierende Fässer, Lager- und Transportbehälter – gelbe, blaue, rote, weisse und blaue. Die Castorbehälter, in denen Brennelemente zwischengelagert werden, stehen schön aufgereiht in der klinisch sauberen Umgebung eines Zwischenlagers.
Dieselbe Eingabe in das KI-Tool Midjourney erzeugt dagegen ganz andere Bilder:
Die KI-Bilder erinnern an postapokalyptische Science-Fiction Filme: Rostige gelbe Fässer, die in einem verfallenen Industriegebäude lagern. Weder Formen noch Symbole stimmen in diesen Bildern mit der Realität überein. Immerhin die Farbe hat Wiedererkennungswert: gelb.
Ist die KI Sci-Fi-Fan?
Bilderzeugungsmodelle wie DALL-E oder Midjourney haben keine Neigungen oder Vorlieben für bestimmte Arten von Bildern. Text-to-image-Tools arbeiten mit Prompts, um aus Beschreibungen Bilder zu erschaffen. Mithilfe einer umfangreichen Sammlung von Text-Bild-Paaren werden diese Tools trainiert, Zusammenhänge zwischen Bildbeschreibungen zu erkennen und zu verstehen. Sie erzeugen Bilder auf der Grundlage der Daten, mit denen sie trainiert wurden. Ihre Ausgabe wird durch die Eingabebefehle beeinflusst, zum Beispiel in Bezug auf gewünschte Umgebung, Stil des Bildes, Beleuchtung, Farben, Format und vieles mehr. Für Endlager gibt es weltweit erst wenige Beispiele und Visualisierungen. Wenn geeignete Trainingsdaten fehlen, kann das zu kreativen Eigeninterpretationen führen, wie auch das Beispiel mit dem «erfahrenen Geowissenschaftler» zeigt.
Prompt: «Ein erfahrener Geowissenschaftler in seinen Fünfzigern, mit kurzem grauem Bart und Brille, nimmt ein Selfie vor dem Hintergrund einer beeindruckenden Bohranlage auf. Er ist ausgestattet für Sicherheit und Erforschung, gekleidet in einen weissen Helm mit dem ’nagra›-Logo und einer leuchtend orangefarbenen Jacke mit schwarzem Kragen. Hinter ihm erstreckt sich eine offene Landschaft, grünes Gras unter einem blauen Himmel mit vereinzelten Wolken, eingebettet in eine sanft hügelige Landschaft, die die Grenze zwischen ländlicher Ruhe und technischem Fortschritt symbolisiert»
Das Bild schaut realistisch aus. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass auf dem Helm kein Nagra-Logo abgebildet ist, sondern das, was Midjourney für ein Nagra-Logo hält. Notabene: Die Bohranlage im Hintergrund ist für Fachpersonen wenig beeindruckend.
Ein dystopisches Bild könnte also das Resultat eines Prompts sein, der Wörter enthält, die häufig mit dystopischen Szenarien assoziiert werden. Begriffe wie «Atomkraft» oder «Atommüll» könnten von KI mit negativen Bildkonzepten verknüpft werden. Wenn in den Trainingsdaten bestimmte Arten von Bildern oder Stilen, wie beispielsweise Science-Fiction oder Fantasy, prominent vertreten sind, kann dies ebenfalls die erzeugten Bilder beeinflussen.
Interessanterweise kann eine Anpassung des Eingabetextes, wie etwa die Beschreibung einer Oberflächenanlage, die sich harmonisch in die Landschaft einfügt, ein völlig anderes, positiveres Bild erzeugen. Dies unterstreicht nicht nur die Flexibilität von KI-Tools, sondern auch ihre wachsende Bedeutung in der Bildbearbeitung, wie sie bereits in Programmen wie zum Beispiel Adobe Photoshop und Canva zu finden ist.
Zusammengefasst können wir sagen, dass fortgeschrittene Text-to-Image-Tools und Text-to-Video-Tools Vorstellungen über die Atommüllentsorgung und ein Tiefenlager positiv und auch negativ beeinflussen können. Die aktuellen Bilder wecken in der Regel eher negative Assoziationen, weil sie düster und dystopisch wirken. Da stellt sich die Frage, wie und ob das die öffentliche Meinung beeinflussen kann.
Die Unterscheidung zwischen echten und irreführenden Bildern kann selbst für Experten schwierig sein. Risiken und Chancen dieser Technologie liegen hier dicht beieinander. In Zukunft wird es eine wichtige Rolle spielen, als wie vertrauenswürdig eine Quelle gilt.
KI-Tools können heute schon konkret bei der Planung, Forschung und beim Bau des Tiefenlagers helfen. Im dritten und abschliessenden Teil dieser Serie werden wir einige AI-Tools und praktische Anwendungen bei der Nagra vorstellen.
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