Österreichs Bald-Kanzler Sebastian Kurz: „Private Seenotrettung führt zu mehr Toten“

Quelle: BILD TV / Foto: Daniel Biskup
Von: Anna von Bayern, Paul Ronzheimer und Daniel Biskup (Fotos)

Der kommende österreichische Bundeskanzler, Sebastian Kurz (33), hat im ersten großen Interview nach der Koalitions-Einigung mit den Grünen seine strikte Migrations- und Flüchtlingspolitik bekräftigt und angekündigt, als Kanzler in Brüssel bei der EU für eine harte Haltung zu kämpfen.

Im Interview mit BILD am SONNTAG kritisierte Kurz scharf die Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Lesbos und warf privaten Seenotrettern vor, mit ihrem Vorgehen für mehr Tote im Mittelmeer zu sorgen.

Kurz sagte BamS auf die Frage, was er von privaten Seenotrettern vor Libyen hält: „Es ist ein sehr heikler Bereich, weil manchmal unterstützen private Seenotretter, ohne dass sie es wollen, die Schlepper. Und so führt das Vorgehen der privaten Seenotretter am Ende zu mehr Toten. Es ist doch so: Durch das Retten im Mittelmeer und einem direkten Ticket nach Europa machen sich immer mehr auf den Weg und immer mehr ertrinken dadurch.

All jene, die glauben, etwas Gutes zu tun, müssen sich eingestehen, dass es diese erwiesene Steigerung der Toten durch ihr Vorgehen gibt. Das bedaure ich zutiefst und werde es weiter bekämpfen. Es darf nicht darum gehen, was nach außen hin vielleicht gut aussieht, sondern was funktioniert. Ein Modell der privaten Seenotrettung funktioniert nicht.“

Sebastian Kurz will als Bundeskanzler Österreichs für eine harte Haltung der EU bei Migrationsfragen kämpfen

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Foto: Daniel Biskup

Zur vom Grünen-Chef Robert Habeck angestoßenen Debatte, dass Flüchtlingskinder aus Lesbos in Europa aufgenommen werden sollten, sagte Kurz, dass Österreich dazu nicht bereit sei. Kurz: „Nein, dazu ist Österreich nicht bereit (…) Wenn wir diese Menschen jetzt alle weiter nach Deutschland oder anderswo hinbringen, dann ist das genau das Geschäft der Schlepper, denn das bedeutet, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg machen, weil sie wissen, dass es funktioniert. Es führt dazu, dass immer mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken.“

Scharf kritisierte Kurz auch die Türkei für ihr Vorgehen in der Flüchtlingsfrage. Der kommende österreichische Kanzler forderte deshalb, in der EU über Sanktionen nachzudenken. Kurz sagte BamS: „Der Türkei-Deal funktioniert nicht ausreichend und Griechenland hat unsere volle Unterstützung verdient. Wir dürfen uns vom türkischen Präsidenten Erdogan nicht erpressen lassen. In seinem Land werden politisch Andersdenkende verfolgt, immer wieder Journalisten eingesperrt – und die Türkei versucht, Flüchtlinge und Migranten als Waffe einzusetzen. Es gibt immer mehrere Wege, der eine funktioniert durch Zusammenarbeit, der andere funktioniert durch Druck. Die EU hat viele Möglichkeiten, Erdogan Druck zu machen. Darüber sollten wir genauso nachdenken.“

Gleichzeitig betonte Kurz, dass Europa Grenzen schützen müsse, wozu auch die Seegrenzen gehörten. Auf die Frage, ob Seegrenzen überhaupt geschützt werden könnten, sagte Kurz: „Ja, natürlich kann man Seegrenzen schützen und man sollte sie auch schützen. Wir können dafür sorgen, dass Flüchtlingsboote erst gar nicht ablegen, wir können die Menschen, die gerettet werden, zurück in das Land bringen, aus dem sie gekommen sind. Schauen Sie sich Ägypten an. Von dort kamen einst tausende Flüchtlinge, heute niemand mehr, weil es ein funktionierendes System gibt.“ Kurz kündigte an, als Kanzler das Thema Migration auch in Europa „in die richtige Richtung“ lenken zu wollen, weil es notwendig für Europa sei und für eine christlich-soziale Verantwortung. Kurz: „Es darf kein System geben, wo die Schlepper am Elend der Menschen verdienen.“

Kurz bietet USA-Iran-Gipfel in Wien an

In der Krise zwischen den USA und Iran hat Kurz einen Gipfel in Wien ins Gespräch gebracht: „Die Tötung des Generals ist eine Reaktion gewesen auf das iranische Vorgehen und iranische Verhalten in der Zeit davor. Es gab immer wieder Anschläge auf US-Diplomaten und US-Einrichtungen. Insofern ist es zu bewerten als das, was es war: nämlich eine Reaktion.

BILD fragt Sebastian Kurz Darf man sich über den Tod eines Terroristen freuen?

Quelle: BILD TV

Jetzt ist trotzdem wichtig, dass die Situation nicht weiter eskaliert, und daher sollte man den Krisenmechanismus nutzen, den das Iran Abkommen auch vorsieht. Wien steht selbstverständlich als Standort für mögliche Verhandlungen zur Verfügung, wenn der Iran und die USA wieder Gespräche führen wollen. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht bei den Verhandlungen zum Atomabkommen und glauben daran, dass Diplomatie auch in dieser Situation der einzig richtige Weg ist, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.“

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