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Mit der Natur verwurzelt: Stefan Pruschwitz ist Waldbademeister

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Ohne Aufgabe: Waldbader setzen sich kein Ziel. Teilnehmer sollen ein Bewusstsein für sich selbst und die Natur entwickeln, sagt Stefan Pruschwitz.
Ohne Aufgabe: Waldbader setzen sich kein Ziel. Teilnehmer sollen ein Bewusstsein für sich selbst und die Natur entwickeln, sagt Stefan Pruschwitz. © Jan Wendt

Stefan Pruschwitz aus Bad Hersfeld ist einer der ersten zertifizierten Waldbademeister im Landkreis. Er möchte den Menschen den Forst näher bringen und zur Entspannung beitragen.

Tief in den Wald abtauchen und sich vom Alltagsstress befreien: Der japanische Trend Waldbaden hat Deutschland vor Monaten erreicht – und nun auch Waldhessen. Stefan Pruschwitz aus Bad Hersfeld ist einer der ersten zertifizierten Waldbademeister im Landkreis.

Ob Pilze sammeln oder einen bestimmten Wanderweg beschreiten: Der 51-Jährige hielt sich schon immer gerne im Wald auf. „Ich muss regelmäßig in den Wald. Sonst fühle ich mich nicht wohl“, sagt der Fachbereichsleiter für Wirtschaftsförderung bei der Stadt Borken (Schwalm-Eder-Kreis).

Das Waldbaden unterscheide sich im Vergleich zu seinen früheren Aufenthalten im Gehölz aber in einem wesentlichen Punkt: „Waldbader setzen sich kein Ziel. Es geht nicht darum, irgendetwas zu erreichen“, sagt der Bad Hersfelder, der von 2014 bis 2016 kaufmännischer Leiter der Festspiele war. Waldbaden sei wie „zielloses Schlendern.“ Es gehe darum, im Hier und Jetzt zu verweilen. Deswegen hält Pruschwitz vom Begriff „Waldbademeister“ nichts. Die Formulierung wurde aus dem Japanischen übersetzt und befeuere nur falsche Klischees. Er plädiert für die Bezeichnung „Waldachtsamkeitstrainer“.

Damit Waldbader den gegenwärtigen Moment in der Natur intensiver erleben, bringt Pruschwitz ihnen verschiedene Techniken bei. Teilnehmer ertasten beispielsweise mit verbundenen Augen Äste, Pilze oder Tannenzapfen. Oder sie legen ihre Ohren an einen Baum. „Manchmal hört man dann sogar das Wasser durch den Stamm rauschen.“ Meditationen gehören auch zu den Übungen – und Visualisierungen. „Man kann sich den Wald beispielsweise als starken Lebensraum, in dem man sich verwurzeln will, vorstellen. Das erdet“, so Pruschwitz.

Mit Spaß abschalten: Der 51-Jährige will den Teilnehmern seiner Kurse den Wald als Lebensraum näherbringen.
Mit Spaß abschalten: Der 51-Jährige will den Teilnehmern seiner Kurse den Wald als Lebensraum näherbringen. © Jan Wendt

Wichtig sei, sich auf jede Übung einzulassen. Sonst kämen weder Körper noch Geist zur Ruhe. Waldbaden funktioniere nicht unter Zwang. Bei zu starken Skeptikern verpuffe der positive Effekt. „Wenn jemand sagt, dass Waldbaden nichts für ihn ist, finde ich das auch völlig okay“, zeigt Pruschwitz Verständnis. Bisher habe niemand einen seiner Kurse abgebrochen. „Und auch das wäre kein Problem.“

Denn beim Waldbaden gehe es auch darum, ein stärkeres Bewusstsein für sich selbst zu entwickeln. Bei manchen Übungen könnten negative Emotionen geweckt werden – wenn man beispielsweise auf einem Baumstumpf sitzend über die nicht-funktionierende Partnerschaft nachdenkt.

Teilnehmer seiner Kurse sollen vor allem Kraft für den Alltag schöpfen. Und ein Bewusstsein für den Wald als Lebensraum entwickeln – gerade in Zeiten des Klimawandels. Denn obwohl immer mehr Menschen in Städten leben: „Unser Körper hat sich noch nicht von der Natur als unseren ursprünglichen Lebensraum entwöhnt“, sagt Pruschwitz. Der Mensch reagiere auf viele Reize im Wald sehr positiv – zum Beispiel auf Terpene. Pflanzen schütten die chemischen Verbindungen zur Kommuniaktion aus. Offenbar verstärken die Stoffe das menschliche Immunsystem. Studien zeigen, dass die Anzahl der Killerzellen (bekämpfen Krankheitserreger) im Körper steige. Zudem könnten Blutdruck und Stressniveau sinken. Waldbader berichteten Pruschwitz von mehreren positiven Erfahrungen. Einige hätten sich fitter und erholter gefühlt, weil sie abschalten konnten. Andere meinten, sie sehen den Wald nun mit anderen Augen, so Pruschwitz. Positive Effekte würden ab einer Dauer von zwei Stunden einsetzen. Grundsätzlich gelte: Je länger der Aufenthalt im Wald, desto stärker ist der Nutzen für die Teilnehmer.

Der Bad Hersfelder arbeitet nebenberuflich als Waldbademeister. Der Trend müsse sich verstetigen, bevor er alle Rechnungen mit Ausflügen in die Natur bezahlen kann. Doch die Möglichkeit besteht. Nordhessen könnte mit seiner „zentralen Lage, den traumhaften Wäldern und den Verkehrsanbindungen die zentrale Waldbaderegion in Deutschland werden“ – in der Touristen und Einwohner den alltäglichen Stress abschütteln könnten. (jfw)

Kontakt: Per E-Mail unter kontakt@sehnsucht-wald.de und telefonisch unter 0179/531 96 03.

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