In Belgien ist die Ansteckung mit dem Coronavirus «ausser Kontrolle»

Mit einem dramatischen Appell hat der belgische Gesundheitsminister die Bevölkerung zur Einhaltung neuer Einschränkungen aufgerufen. Das Land befinde sich knapp vor einem «Tsunami».

Andreas Ernst
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Belgiens Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gibt die neuen Massnahmen im Kampf gegen Corona bekannt.

Belgiens Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gibt die neuen Massnahmen im Kampf gegen Corona bekannt.

Stephanie Lecocq / Reuters

Der belgische Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat schärfere Restriktionen zur Seuchenbekämpfung für heute Montag angekündigt. Die Epidemie im Land sei ausser Kontrolle und drohe zum «Tsunami» zu werden.

Im ganzen Land sind Bars und Restaurants ab sofort geschlossen. Es gilt eine Ausgangssperre von Mitternacht bis fünf Uhr morgens. In den vergangenen zwei Wochen hatten die Ansteckungen mit dem Coronavirus um 88 Prozent zugenommen und liegen derzeit bei 605 auf 100  000 Personen. Europaweit, so der Gesundheitsminister, sei die Ansteckungsrate nur in Tschechien noch höher.

Besonders betroffen in Belgien sind die Hauptstadt Brüssel und der französischsprachige Landesteil Wallonien. Dort stecken sich um die Hälfte mehr Personen an als in den vergleichbar grossen Regionen Madrid oder Ile-de-France. Ein Epidemiologe erklärte die besonders schlechte Lage in Wallonien mit dem relativ hohen Erfolg der Region während der ersten Welle im Frühjahr. Das habe zu einer gewissen Sorglosigkeit geführt, für die man nun bezahle.

Der Gesundheitsminister appellierte an die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Es gehe darum, die Spitäler, die bereits jetzt unter hohem Druck ständen, vor der drohenden Überbelastung zu bewahren.

Das Arbeiten von zu Hause aus (Home-Office) solle wieder zur Regel werden, überall dort, wo dies möglich sei. Auch für private Kontakte gelten zahlenmässige Beschränkungen. Es dürfen nicht mehr als vier Personen nach Hause eingeladen werden, und dabei sind die Abstandsregeln einzuhalten. Die Schulen bleiben offen, allerdings ist der Sportunterricht in Hallen nur für Kinder unter zwölf Jahren erlaubt. Im Freien finden Sportanlässe weiterhin statt, die Zuschauerzahl ist jedoch auf maximal 200 Personen beschränkt.

Auch Museen und Ladengeschäfte bleiben offen. Sie haben aber für die Einhaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht zu sorgen. Auch das Reisen innerhalb und ausserhalb des Landes bleibt grundsätzlich möglich. Nach dem Besuch von Risikodestinationen, wovon dringend abgeraten wird, müssen Rückkehrer eine Quarantäne von mindestens einer Woche einhalten.

Die neuen Massnahmen auf gesamtstaatlicher Ebene seien das Minimum, sagte Gesundheitsminister Vandenbroucke. Die Regionen hätten die Möglichkeit, je nach Verlauf der Epidemie weitere Vorschriften zu erlassen.

Von noch schärferen Regulierungen habe er abgesehen, sagte der Gesundheitsminister, weil er den Kampf nicht nur gegen das Virus führe. Er gelte auch der Vereinzelung und den Depressionen, die daraus resultierten.