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Corona-Verkehrsmittel Warum Radfahren gleich doppelt schützt

Wie funktioniert "Social Distancing" im Verkehr? Am besten mit Auto und Fahrrad. Radeln hat dabei einen klaren Vorteil, und nicht nur für das Klima: Es schützt gleich doppelt vor Infektionen.
Wer in Zeiten von Corona mobil bleiben will, sollte auf das Fahrrad umsteigen

Wer in Zeiten von Corona mobil bleiben will, sollte auf das Fahrrad umsteigen

Foto: Albrecht Weißer/ imago images/ Westend61

Als sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vergangene Woche mit Verhaltenstipps in der Corona-Krise an die Bevölkerung wandte, erwähnte er auch das Fahrrad: Jeder solle im Sinne des "social distancing" überlegen, ob er einen Weg zu Fuß oder im Sattel zurücklegen könne, statt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. So könne das Infektionsrisiko gemindert werden.

Deutschland probt mit Schließungen von Geschäften und Einrichtungen, Reiseverboten und Grenzkontrollen derzeit den Shutdown. "Flatten the curve", die Infektionskurve in der Bevölkerung möglichst flach halten, ist das oberste Gebot. Biostatistiker Gerd Antes, ehemaliger Leiter des Cochrane-Zentrums an der Uniklinik in Freiburg, sieht im Fahrradfahren tatsächlich eine Möglichkeit, die Infektionskurve abzumildern. 

Fahrradfahren senkt das Infektionsrisiko

Wer Busse und Bahnen meidet, senkt das Ansteckungsrisiko, weil das Coronavirus hauptsächlich über Tröpfcheninfektion auf kurze Distanz übertragen wird, wie der Ulmer Pneumologe Michael Barczok vom Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdV) erläutert. Die Chance, sich beim Radeln etwas einzufangen, liege dagegen "bei Null." Vom "perfekten Selbstschutz" spricht deswegen auch Gerd Antes. 

Denn Radfahrer hielten nicht nur automatisch Abstand zu anderen, sondern seien zudem einem geringeren Risiko ausgesetzt, sich durch das Berühren von Oberflächen zu infizieren. Laut einer Studie könne der Erreger auf Oberflächen bis zu neun Tage überleben und womöglich noch infektiös sein. Jeder Haltergriff im ÖPNV berge deswegen ein grundsätzliches Risiko. Allerdings gilt das auch für Ampelknöpfe, weswegen Antes fordert, den öffentlichen Raum an jeder frequentierten Straßenecke und auch Busse und Bahnen mit Desinfektonsspendern auszurüsten. Trotzdem sei Fahrradfahren "seuchenhygienisch unbedenklich", sagt Michael Barczok. Auch, weil es einen "hohen Schutz für andere" gebe für den Fall, dass man selbst infiziert ist, wie Antes sagt.

Radeln kommt in Zeiten der Lungenkrankheit Corona aber noch eine weitere Bedeutung zu: Es kann auch vorbeugend wirken. Wer regelmäßig auch nur gemütlich radelt, senkt den Blutdruck – falls er an Hypertonie leidet. Auch Diabetiker sollten sich bewegen, rät Pneumologe Barczok. Diabetes und Herzkreislauferkrankungen wie Hypertonie gehören unabhängig vom Alter zu den Grunderkrankungen, die das Risiko eines schwereren Verlaufs von Covid-19 begünstigen, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI)  auf seiner Website.

Radeln stärkt die Lunge

Auch bei Menschen ohne Vorerkrankung kann das Radfahren einen positiven Effekt haben: Grundsätzlich wird bei Ausdauersportarten die Lungenmuskulatur trainiert. Beim rhythmischen Radeln werde zudem das Atmungsorgan gut belüftet und besser durchblutet: "Sie atmen intensiver, das heißt, Sie reinigen Ihre Lunge gut. Und das ist in punkto Virusprotektion optimal", sagt Barczok: "Das Fahrrad ist gerade jetzt auch aus diesem Grund ein sinnvolles Fortbewegungsmittel." Er selber sei dazu übergegangen, jeden Tag für den Weg zur Arbeit im Ulmer Lungenzentrum in den Sattel zu steigen.

In der Gemeinschaftspraxis behandelt Barczok viele Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), oft sind dies Patienten mit Raucherlunge. Laut dem Pneumologen sind diese einem besonders hohen Risiko bei einer Infektion mit dem Coronavirus ausgesetzt: "Wenn man sich die Daten aus China anschaut, sind die Männer, die rauchen und eine COPD haben, die am allermeisten gefährdete Patientengruppe." Einmal mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert, liege die Sterblichkeit diesen Zahlen zufolge bei 58 Prozent. "Wir reden sonst so von zwischen einem und maximal acht Prozent."

Unter den Menschen mit den genannten Grunderkrankungen bietet sich laut Barczok vor allem für COPD-Patienten das Fahrrad an, um gegen das Virus anzustrampeln. Denn während gesunde Menschen alternativ die Joggingschuhe schnüren können, um ihre Lunge zu wappnen, kommen viele andere Ausdauersportarten für Vorerkrankte nicht in Frage – schlicht, weil sie zu anstrengend sind. 

Umsteigen aufs E-Bike

"Menschen mit COPD haben oft Probleme mit dem Laufen, vor allem bergauf", sagt Verbandssprecher Barczok. Beim Fahrrad sei das anders, weil das eigene Körpergewicht nicht selbst mühsam bewegt werden müsse, sondern vom Fahrrad getragen werde. Dies ermögliche eine gleichmäßige und relativ schonende Belastung, sagt Barczok. "Man nutzt die Lunge sinnvoller." Risikopatienten, denen körperliche Betätigung besonders schwer fällt, empfiehlt er, aufs E-Bike umzusteigen. Für sie sei es eine gute Möglichkeit in Bewegung zu bleiben, ohne sich dabei zu überanstrengen. 

Zu einer Aussage lassen sich die Experten allerdings nicht hinreißen. Dass sich die Todesrate unter den Covid-19-Erkrankten durch Fahrradfahren senken ließe, weil das Infektionsrisiko für Menschen mit Vorerkrankungen dadurch abnehme. Ein solcher Zusammenhang sei zwar möglich, aber seriös nur in Studien zu ermitteln, sagt Barczok. Nach Einschätzung von Antes zählt für Risikogruppen vor allem der Schutz vor einer Ansteckung, weil sie Infektionsrisiken umradeln.