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«Eritrea-Festival»: Grosse Sorgen vor Ausschreitungen in der Schweiz

Eritreans living in Switzerland protest against the recent rapprochement of Switzerland with the Eritrea's regime, during a rally on the Place des Nations, in front of the European headquarters o ...
Eritreer aus der Schweiz demonstrieren im November 2017 in Genf gegen die Annäherung der Schweiz an das Regime in Eritrea.Bild: KEYSTONE

In Deutschland artete es aus – jetzt kommt das «Eritrea-Festival» in die Schweiz

Am Samstag soll das «Eritrea-Festival» in der Schweiz stattfinden. Der Veranstaltungsort ist geheim. Beim Event soll zum Krieg in Tigray und der Vernichtung der oppositionellen Diaspora aufgerufen werden.
26.08.2022, 16:5626.08.2022, 20:19
Dennis Frasch
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Okbaab Tesfamariam ist wütend. Er fühlt sich im Stich gelassen von den Schweizer Behörden. Dutzende Briefe mit Warnungen hat er versendet. «Doch niemand wollte uns helfen. Niemand fühlte sich zuständig.»

Tesfamariam ist Mediensprecher des Eritreischen Medienbunds Schweiz und Mitglied des Kollektivs der eritreischen Gemeinschaft Schweiz. Seit Wochen kämpft er gegen das «Eritrea-Festival», das diesen Samstag stattfinden soll.

Bei dem Festival handelt es sich um eine Propagandaveranstaltung. Es soll den Bürgerkrieg in der äthiopischen Provinz Tigray verherrlichen, an dem sich auch Eritrea beteiligt. Hauptorganisator soll der berühmte eritreische Schauspieler und Sänger Awel Seid sein. Gegner werfen dem eritreischen Regime vor, diese Veranstaltungen mitzufinanzieren.

Der Flyer für das Eritrea-Festival in der Schweiz.
Der Flyer für das Eritrea-Festival in der Schweiz.bild: zvg

Das Eritrea-Festival befindet sich zurzeit auf einer Art Europa-Tournee. Im Juli fand es in Schweden statt. Awel Seid, ein regimetreuer Freund des eritreischen Diktators Isaias Afwerki, moderierte den Anlass in Militäruniform. Auf Videos ist zu hören, wie Seid sich kriegsverherrlichend äussert und Russland seine Unterstützung für die Ukraine-Invasion zusichert. Weiter wurde dazu aufgerufen, in Europa lebende Geflüchtete aus der äthiopischen Provinz Tigray zu attackieren.

Propagandist Awel Seid (rechts) mit dem eritreischen Diktator Isaias Afwerki.
Propagandist Awel Seid (rechts) mit dem eritreischen Diktator Isaias Afwerki.bild: zvg

Die niederländische Gemeinde Rijswijk hat das Festival daraufhin verboten. Im deutschen Giessen scheiterte ein Verbotsversuch. Erst als Protestierende das Festivalgelände stürmten und es zu wüsten Auseinandersetzungen kam, wurde das «Kulturfestival» von der Polizei abgebrochen.

Geheimer Veranstaltungsort

Nun soll das Festival am Samstag in der Schweiz stattfinden. Wo genau, ist nicht bekannt. «Über WhatsApp-Gruppen wird den Teilnehmenden am Samstagmorgen mitgeteilt, wo sie hinsollen. In allen Teilen der Schweiz werden Busse bereitstehen, die zum Veranstaltungsort fahren», sagt Okbaab Tesfamariam. Erst wer in den Bus einsteigt, soll erfahren, wo die Reise hingeht.

watson hat Einsicht in diese WhatsApp-Gruppen und konnte mit dem Koordinator für die Region Zürich sprechen. Der in Winterthur wohnhafte Mann bestätigte die Durchführung des Festivals, wollte aber keine näheren Angaben dazu machen. Er gab lediglich zu Protokoll, dass das Festival keine politischen Absichten hege. Es gehe nur um Musik und Kultur.

Tesfamariam sieht das anders: «Man hat es gesehen in Schweden. Ihr Ziel ist es, Hass zu verbreiten und Krieg gegen Tigray zu propagieren». Er fürchtet zudem, dass Jugendliche für den Krieg in Äthiopien rekrutiert werden sollen.

In Schweden und Deutschland wurde zudem ersichtlich, an wen sich die Veranstaltungen richten. Es sind hauptsächlich Eritreer, die sich in den 1990er-Jahren im nationalen Befreiungskampf gegen Äthiopien engagierten und dann in die Schweiz flüchteten. «Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Befreiungsbewegung zu einer Diktatur verkommen ist», sagt Tesfamariam. Ihren Kindern hätten sie ihr Weltbild nun weitergegeben.

Ausschreitungen befürchtet

Diverse kantonale Polizeistellen bestätigten gegenüber watson, von der Veranstaltung gehört zu haben. Wo genau sie stattfinden soll, wusste jedoch niemand. Im Kanton Aargau sei ein Gesuch eingereicht worden. Die zuständige Gemeinde hätte es jedoch abgelehnt.

Tesfamariam wirft den Behörden vor, untätig zu sein. «Wir fühlen uns alleingelassen.» Selbst der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren habe man einen Brief geschrieben. «Sie haben uns mitgeteilt, dass sie dafür nicht zuständig seien», sagt Tesfamariam. Er fürchtet nun, dass es am Samstag zu Ausschreitungen wie in Deutschland kommen wird. «Wir wollen keinen Streit, deswegen haben wir versucht, die Veranstaltung im Vorfeld zu verhindern.»

Dass an der Veranstaltung zur Vernichtung der oppositionellen Diaspora aufgerufen wird, werde jedoch unweigerlich eine Gegenreaktion auslösen. Tesfamariam hofft, dass die Polizei ihnen den Platz geben wird, um zu demonstrieren. Oder die Veranstaltung bei Bekanntwerden des Ortes gleich ganz verbietet. Ansonsten könnte es wieder zu Ausschreitungen kommen. Er ruft jedoch beide Seiten dazu auf, friedlich zu bleiben.

Den jungen Teilnehmenden des Festivals will er zudem ans Herz legen, sich nicht von der Propaganda blenden zu lassen. «Jeder kann seine politische Meinung haben, aber Hetze und Hass gehen zu weit. Wir können auch zusammen, mit gegenseitigem Respekt, unsere Probleme lösen.»

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Folter in Eritrea
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Zeichnungen eines eritreischen Künstlers, der Folter am eigenen Leib erlebt hat. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats hat sie mit seiner Erlaubnis zusammen mit ihrem Bericht veröffentlicht. Im Bild die Foltermethode «Helikopter».
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«Seit dem Ausbruch des Krieges weiss ich nicht, wo meine Familie ist»
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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hösch
26.08.2022 17:03registriert März 2022
Eriträa ist doch auch das Land welches in der CH Steuern eintreibt.
Da kommt doch auch ei Harst Flüchtlinge her.

Und die hat man in der CH so gar nicht auf dem Schirm? - Keine weiteren Worte mehr.
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Oigen aka Trudi aka Kevin
26.08.2022 17:05registriert August 2018
«Jeder kann seine politische Meinung haben, aber Hetze und Hass gehen zu weit. Wir können auch zusammen, mit gegenseitigem Respekt, unsere Probleme lösen.»

das darf sich gerne die gesamte Menschheit zu Herzen nehmen
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Alter Mann
26.08.2022 17:18registriert September 2020
Wenn die Schweizer Justiz diese Sachen nicht auf den Schirm bekommt, dann könnte auch jegliche Terroristen- oder kriminelle Organisation hier ihre "Meetings" abhalten. Wenn sie es auf dem Schirm hätten, wüsste man wo dieses Festival stattfindet. Vielleicht wissen sie es auch und schicken verdeckte Ermittler dahin. Einfach beängstigend und verrückt was hier in der Schweiz alles möglich ist und was nicht. Verrückt ist auch, dass hier untergebrachte Flüchtlinge von ihrem Sozialgeld aus Schweizer Steuern, Steuern an ihr Heimatland abgeben und es geduldet wird.
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