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Ausland Baerbock in Äthiopien

„Wir erwarten prompte ökonomische Kooperation“

Korrespondent in Kapstadt
Annalena Baerbock (l.) und Catherine Colonna (r.) mit Äthiopiens Premier Abiy Ahmed Annalena Baerbock (l.) und Catherine Colonna (r.) mit Äthiopiens Premier Abiy Ahmed
Annalena Baerbock (l.) und Catherine Colonna (r.) mit Äthiopiens Premier Abiy Ahmed
Quelle: AFP/AMANUEL SILESHI
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Nach der Ukraine besucht Außenministerin Annalena Baerbock Äthiopien. Mit ihrem Besuch will sie nicht nur den Friedensprozess im Tigray-Konflikt unterstützen – denn der Westen beobachtet mit Sorgen den wachsenden Einfluss Russlands in der Region.

Die Woche hätte für Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kaum kontrastreicher sein können. Am Montag war sie per Zug nach Charkiw gereist, eine der ostukrainischen Städte, die von Russland im Krieg am meisten verwüstet wurden. Das Leid erlebte sie dort aus unmittelbarer Nähe, traf in einem Kinderkrankenhaus Patienten und ihre Eltern.

Schon am Tag darauf brach sie nach Äthiopien auf, wo die Menschen im Norden des Landes in der Tigray-Region während der vergangenen beiden Jahre ebenfalls enormes Leid erlebt haben. Die belgische Universität Gent hat berechnet, dass der Krieg dort 60 Mal so viele Tote wie in der Ukraine gekostet haben könnte.

Die Schätzungen der Forscher belaufen sich auf 600.000, vor allem wegen der Folgen der Blockade von humanitären Hilfslieferungen, die von Äthiopiens Regierung skandalös lange aufrechterhalten wurde. Andere Beobachter, wie die Denkfabrik „International Crisis Group“, geht von Zehntausenden Opfern aus.

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Doch anders als bei ihren Reisen in die Ukraine blieb Baerbock knapp 1000 Kilometer vom Krisengebiet entfernt, in der Hauptstadt Addis Abeba und der Peripherie. Dort versicherten ihr Premierminister Abiy Ahmed und mehrere seiner Minister erwartungsgemäß, die Umsetzung des Friedensabkommens vom November weiter voranzutreiben.

Baerbock flog am Freitag nach Hause, ohne auch nur einen Vertreter der Tigray-Ethnie gesprochen zu haben, von der womöglich jeder Zehnte getötet worden ist. Der deutschen Forderung nach einer allumfassenden und inklusiven Aufarbeitung der enormen Kriegsverbrechen verleiht das nicht gerade Nachdruck.

Die Ministerin begründete den Reiseverzicht mit der Kürze ihres Aufenthalts und der Dynamik der jüngsten positiven Entwicklung nach dem Abkommen, die sich mit der Reiseplanung „etwas überschnitten“ habe. „Es war für uns wichtig, dass wir hier in Addis Abeba insbesondere zum Friedensprozess die Gespräche intensiv fortsetzen, er ist die Grundlage für die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen“, sagte Baerbock.

Sie hätte, so Baerbock, im Fall einer Tigray-Reise schließlich auch nicht nur nach Mekelle, sondern auch in die ländlichen Regionen reisen wollen. Die regionale Hauptstadt ist vom Krieg im Vergleich zu vielen Dörfern der Gegend verschont worden. Doch auch in Mekelle sind viele Flüchtlinge, die wenigen verbliebenen Ärzte in den Krankenhäusern berichten von Gräueltaten.

Äthiopiens Regierung gibt gemischte Signale, was die Bereitschaft betrifft, derartigen Reiseanträgen nach Tigray zuzustimmen. Die deutsche Regierung entschied sich offenbar, das Thema nicht mit Nachdruck zu verfolgen, wohl auch, weil man aus diplomatischen Gründen auch eine der Nachbarregionen Amhara und Afar besuchen hätte müssen, in denen Kämpfern aus Tigray Gräueltaten vorgeworfen werden.

Nichts soll die Friedensbereitschaft der äthiopischen Regierung und deren Wiederannäherung an den Westen gefährden, auch nicht eine Begegnung Baerbocks mit Abiys Erzrivalen von der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die bei einer Reise nach Mekelle unvermeidlich gewesen wäre.

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Dabei verbreitet Äthiopien seit Wochen das Narrativ einer Normalisierung in der Region. Vor zwei Wochen durften mehrere europäische Diplomaten, auch von der deutschen Botschaft, nach Mekelle reisen. Inzwischen gibt es sogar wieder einige zivile Flüge dorthin – auf der wohlgemerkt keine Journalisten zugelassen werden. Außenminister Demeke Mekonnen sicherte Baerbock und deren französischen Amtskollegin Catherine Colonna „Offenheit und Transparenz“ bei der Beendigung dieses Konflikts zu.

Es wäre schon aufschlussreich gewesen, diese Worte mit einem offiziellen Reisegesuch einem Praxistest zu unterziehen. Zumal Äthiopien dringend Hilfe der internationalen Gemeinschaft braucht. Das mit 120 Millionen Einwohnern zweitbevölkerungsreichste Land Afrikas, das bis zum Tigray-Krieg als reformbereiter Hoffnungsträger und Stabilitätsanker des Kontinents galt, ist quasi bankrott, von Wirtschaftskrise, Militärkosten und Inflation ausgezehrt.

Äthiopien ist auf finanzielle Hilfe angewiesen

Die letzten Devisenreserven werden nach jetzigem Stand Ende Januar aufgebraucht sein, dann könnte der Import von Benzin scheitern. Die während des Krieges eingefrorenen 100 Millionen Euro Budgethilfe Deutschlands fallen dabei kaum ins Gewicht. Ihre Wiederaufnahme steht derzeit ebenso im Raum wie die Aufstockung der ebenfalls deutlich reduzierten Mittel für entwicklungspolitische Mittel auf das Vorkriegsniveau von rund 340 Millionen Euro jährlich.

Entscheidend sind die Aufwendungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die nach dem Friedensabkommen vom November Kredite in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt haben. Doch selbst das wird nicht dauerhaft reichen. Das machte auch Mekonnen gegenüber Baerbock mit wenig diplomatischen Worten zur Hilfe beim Wiederaufbau in den Kriegsregionen deutlich: „Wir erwarten prompte ökonomische Kooperation.“

Dazu will nicht so recht passen, dass Äthiopien nur im sehr begrenzten Rahmen Beobachter in Tigray zulässt. Ostafrikanische Länder durften zehn Repräsentanten schicken, die Europäische Union ist in dieser Rolle unerwünscht. „Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“, lautet ein inflationär verwendetes Motto der Afrikanischen Union, die ihren Sitz in Addis Abeba hat.

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Immerhin sicherte Mekonnen Baerbock und Colonna zu, dass eine Kommission mit UN-Beteiligung geformt werden soll, die an der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in Tigray beteiligt werden soll – ein kleines Zugeständnis. Zu den brutalen Verbrechen gehört der Einsatz von systematischen Vergewaltigungen als Kriegswaffe, ein Thema, das in der feministischen Außenpolitik Baerbocks bekanntlich besondere Priorität hat.

Trotz der verpassten Chance, auch eine Stimme der Hauptopfer dieses Konflikts zu hören, nämlich der Zivilbevölkerung Tigrays, war die Reise wichtig. Der Westen kann es sich nicht leisten, seine Hoffnung in Abiy aufzugeben.

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Man beobachtet mit Sorge den wachsenden Einfluss Russlands in der Region, besonders im Nachbarland Eritrea, wo der Kreml wie auch im Sudan gerne seine Militärpräsenz ausbauen würde – also jeweils am Roten Meer, über das 25 Prozent der deutschen Wirtschaftsflüsse nach Asien stattfinden, und das wegen der Transporte von Flüssiggas in Richtung Europa geopolitisch noch wichtiger geworden ist.

Abiy, der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2019, hatte sich im Kampf gegen die TPLF mit dem langjährigen äthiopischen Feind Eritrea verbündet. Die Beziehungen mit den USA, lange der wichtigste militärische Alliierte Äthiopiens, kriselten. Vehementer als Europa pochte Washington auf die Aufhebung der humanitären Blockade, die Türkei half Abiys Regierung damals mit umstrittenen Waffenlieferungen aus.

Ab Mitte 2022 lenkte Äthiopien verstärkt ein, seit August war vor allem Eritrea Kriegstreiber. Nach dem Friedensabkommen und dem Ende der Blockade steigt auch von äthiopischer Seite der Druck, dass Eritrea seine Truppen endlich aus dem Land abzieht. Diese sind für einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen dieses Krieges verantwortlich.

Ob sie dafür jemals zur Rechenschaft gezogen werden, muss bezweifelt werden. Das gilt allerdings – trotz äthiopischer Überlegungen für die Einrichtung eines Sondergerichts – auch für viele Vertreter der anderen Kriegsparteien.

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