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Gastkommentar zur Flüchtlingspolitik der EU Europa versagt auf dem Mittelmeer

Landesaufnahmeprogramme, das Ende der Zusammenarbeit mit der „libyschen Küstenwache“, sichere Fluchtrouten und die Wiederaufnahme umfassender staatlicher Seenotrettung fordert unser Gastautor Ivo Gruner.
22.02.2019, 07:49 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Von Ivo Gruner

Seitdem die EU-Staaten ihrer Pflicht zur Seenotrettung im Mittelmeer nicht mehr nachkommen, füllen zivile Organisationen diese Lücke. Privatpersonen, die das tausendfache Sterben im tödlichsten Meer der Welt nicht hinnehmen können, übernehmen eine kernstaatliche Aufgabe. Den Humanismus, den die EU selbstgefällig predigt, hat sie längst verloren. Die Pflicht zur Seenotrettung ist momentan de facto außer Kraft gesetzt.

Obwohl jene, die die gefährliche Überfahrt in Kauf nehmen, weniger werden, ist die Todesrate auf dem Mittelmeer hoch wie nie. Nicht zuletzt, da zivile Rettungsschiffe aus fadenscheinigen Gründen aus dem Verkehr gezogen und Retterinnen und Retter mit existenzbedrohenden Prozessen belegt werden. Als Feigenblatt sponsert die EU die sogenannte libysche Küstenwache mit Millionenbeträgen. Nur: Eine Küstenwache, die weder Beiboote noch Rettungswesten mit sich führt und mit haarsträubenden Manövern wiederholt Boote zum Kentern und Menschen zum Ertrinken bringt, verdient diesen Titel nicht. Zivile Organisationen retten im Vergleich ungleich professioneller.

Von acht Nichtregierungsorganisationen, die bis Sommer 2017 im Mittelmeer tätig waren, kann heute nur noch eine einzige Leben retten. Seit dieser Woche patrouilliert der Verein Sea-Eye wieder mit der „Alan Kurdi“ in der SAR-Zone vor der libyschen Küste. Die Schiffe von Sea Watch, Jugend Rettet, Mission Lifeline, Proactiva Open Arms, Salvamento Maritimo Humanitario und SOS Méditerranée werden weiterhin durch politische Fesseln am Auslaufen gehindert. Italiens Rechtspopulisten schießen den Vogel ab. Seit vorigem Sommer hält die Regierung gemeinsam mit Malta ihre Häfen für Rettungsschiffe geschlossen. Im Fall der „Sea Watch III“, die am 22. Dezember 33 Leben rettete, konnte 18 Tage (!) kein sicherer Hafen angelaufen werden. Vorgeschoben wird ein fehlender Verteilungsschlüssel.

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Wir sagen, es fehlt der klare politische Wille. Das zuständige Bundesinnenministerium setzt auf diese europäische Nichtregelung und schlägt Angebote aus Städten und Kommunen in den Wind. Die politisch Verantwortlichen verweigern damit Flüchtenden den Schutz vor dem Entzug ihrer Lebensgrundlage, vor Menschenrechtsverletzungen und oft vor dem sicheren Tod.

Europa schottet sich auf Kosten Schutzsuchender ab. Es muss sofort eine tragfähige Lösung her: Landesaufnahmeprogramme, das Ende der Zusammenarbeit mit der „libyschen Küstenwache“, sichere Fluchtrouten und die Wiederaufnahme umfassender staatlicher Seenotrettung. Jeder Tag, den Europa versagt, tötet.

Info

Zur Person

Unser Gastautor ist Aktivist beim Bündnis Seebrücke Bremen seit deren Gründung im Juli 2018. Der 31-Jährige Politikmanager und Anthropologe studierte in Bonn und Bremen.

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