Der Terroranschlag der Hamas auf Israel hat nicht nur einen neuen Nahostkrieg ausgelöst, sondern auch eine weltweite Welle des Antisemitismus. In Berlin haben Menschen das Massaker auf offener Straße gefeiert, Häuser werden mit Davidsternen markiert, Synagogen werden angegriffen, israelische Fahnen abgerissen und verbrannt, die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten explodiert, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. An amerikanischen Eliteuniversitäten gibt es teils handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen proisraelischen und propalästinensischen Demonstranten – und die internationale Linke zerlegt sich gerade im Streit über Israel.

Darüber sprechen wir diese Woche in Das Politikteil, dem politischen Podcast von ZEIT und ZEIT ONLINE. Zu Gast bei Peter Dausend und Heinrich Wefing ist die Schriftstellerin Eva Menasse. Sie ist Autorin von Romanen wie Vienna, Quasikristalle und Dunkelblum, sie ist zusammen mit Deniz Yücel Sprecherin des 2022 gegründeten PEN Berlin und eine vernehmbare Stimme im öffentlichen Diskurs. Eva Menasse sagt: "Wir leben in einem Zeitgeist, in dem das emotionale Argument zu viel Bedeutung gewonnen hat. Das heißt, das, was mir Angst macht, was mich kränkt, hat immer recht. Das ist politisch falsch, politisch müssen wir gerade jetzt kühl und analytisch bleiben und dürfen den Moralismus nicht die Oberhand gewinnen lassen." Denn: "Die diskursive Überspitzung ist obszön im Angesicht dessen, was die Menschen vor Ort gerade erleben."

Eva Menasse erklärt, warum die aktuelle Welle des Antisemitismus sie nicht überrascht, warum sie selbst keine Angst hat und wieso sie die Reaktion der internationalen Linken "enttäuschend" findet, aber ebenfalls nicht überraschend. "Ich halte mich in diesen Tagen an der Vernunft fest daran, unaufgeregt und nicht moralisierend zu bleiben."

Die Schriftstellerin kritisiert scharf den gegenwärtigen Kolonialismus-Diskurs: "Man kann über Israel nicht als ein koloniales Projekt sprechen, das ist historisch falsch. Das ist eine völlige Verirrung der jungen Postkolonialisten." Und sie erklärt die BDS-Bewegung für gescheitert: "BDS hat sich mit der aktuellen Lage erledigt, denn sie sind Antinormalisierungspolitiker, sie boykottieren auch Friedensbemühungen zwischen Israelis und Palästinensern. Das ist gerade jetzt katastrophal." Aber sie sagt auch: "Die Hamas wird immer versuchen, Israelis umzubringen, egal wie gut oder schlecht die Lage im Westjordanland ist. Trotzdem muss diese Situation dort gelöst werden und die Weltgemeinschaft muss sich vorwerfen lassen, in den letzten Jahren von der Regierung Netanjahu eingeschläfert worden zu sein."

Im Podcast "Das Politikteil" sprechen wir jede Woche über das, was die Politik beschäftigt, erklären die Hintergründe, diskutieren die Zusammenhänge. Immer freitags mit zwei Moderatoren, einem Gast – und einem Geräusch. Im Wechsel sind als Gastgeber Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing oder Ileana Grabitz und Peter Dausend zu hören.

Das Politikteil geht on the road: am 7. November 2023 im Gespräch mit ARD-Moderatorin Anne Will in Leipzig. Alle Infos finden Sie hier.