Beim Einzelhandel und bei Arbeitgebervertretern stoßen Pläne in der Bundesregierung über ein Lieferkettengesetz auf Widerstand. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, sagte: "Ein nationales Lieferkettengesetz würde die Textilhändler in Deutschland im internationalen Wettbewerb massiv benachteiligen." Neben höheren Kosten seien auch Rechtsunsicherheiten programmiert. "Die Unternehmen dürfen nicht als Ersatzpolizei für die Einhaltung von Recht und Gesetz in den Produktionsländern herhalten." Das überfordere die Unternehmen und sei der falsche Ansatz.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen bald einen Entwurf für ein Gesetz vorlegen – damit sollen größere deutsche Unternehmen angesichts von Kinderarbeit und Hungerlöhnen in Entwicklungsländern zur Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten verpflichtet werden.

Genth sagte, es gelte vielmehr von staatlicher Seite in Entwicklungszusammenarbeit die Behörden vor Ort zu stärken und so für alle Seiten verlässliche Rahmenbedingungen herzustellen. "Die Unternehmen haben mit zahlreichen Eigeninitiativen beispielsweise im Rahmen des Textilbündnisses bereits erhebliche Verbesserungen erreicht. Wir brauchen einen kooperativen Ansatz. Wenn der Staat die Verantwortung ausschließlich bei den Unternehmen ablädt, ist das keine konstruktive Lösung."

"Ein wettbewerbsverzerrendes, mittelstandsfeindliches Gesetz"

Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, Uwe Mazura, kritisierte, die Minister planten ein "wettbewerbsverzerrendes, mittelstandsfeindliches Gesetz", das deutsche Unternehmen belaste, ohne die wirklichen Problemursachen zu lösen. Zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer hätten im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie Verantwortung übernommen, als es um eine heimische Produktion von Masken und anderer Schutzausrüstung ging. "Statt einer längst fälligen Wertschätzung und einer stärkeren Förderung des Mittelstandes werden ausgerechnet diese Unternehmen durch die Ankündigung eines Lieferkettengesetzes in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt."

Auch die Metall-Arbeitgeber reagierten mit Kritik auf die Gesetzespläne. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, es wirke völlig aus der Zeit gefallen, mitten in der Corona-Rezession jetzt ein nationales Lieferkettengesetz verabschieden zu wollen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte hingegen die Gesetzesinitiative. Diese sei die logische Konsequenz der gescheiterten freiwilligen Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Bei einer von der Regierung organisierten Befragung hatten von rund 2.250 befragten großen Unternehmen nur 455 Firmen gültige Antworten zurückgemeldet. Es ging dabei um die Einhaltung sozialer und ökologischer Grundrechte bei der Produktion etwa in Asien oder Afrika.

Hoffmann sagte, das Befragungsergebnis zeige, "dass die zwei Jahrzehnte andauernde Debatte um sozial und ökologisch verantwortungsvolle Unternehmensführung keine ausreichende Wirkung entfaltet hat". Nun sei der Gesetzgeber gefordert. "Das sorgt schließlich auch für Wettbewerbsgleichheit für all jene Unternehmen, die sich ihrer sozialen Verantwortung gestellt haben", sagte Hoffmann.